Parlamentarische Initiative SPK-NR: Medien und Demokratie

Zur Parlamentarischen Initiative SPK-NR: Medien und Demokratie

Die grüne Fraktion bittet Sie, dem von der SPK beantragten Verfassungsartikel zuzustimmen. Zwei Punkte sind uns dabei wichtig: erstens die Erhaltung der Pressevielfalt und zweitens die Förderung von Medien, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen.

Ich werde vor allem zum ersten Punkt etwas ausführlicher Stellung nehmen, weil uns die Pressevielfalt ein ganz zentraler Punkt zu sein scheint. Es ist in den letzten Jahren ein Konzentrationsprozess in Gang gekommen, der für die demokratische Auseinandersetzung alles andere als positiv ist. Die Vorredner, die Kommissionssprecher haben das deutlich ausgeführt. Immer mehr Monopolwüsten - ich gebrauche dieses Wort, auch wenn es die Zeitungsverleger nicht schätzen - beherrschen die Schweiz. Fast alle Regionen verfügen über nur noch eine Zeitung. Dass das der öffentlichen Debatte abträglich ist, kann ich als Luzernerin, die die Veränderungen direkt erlebt hat, nur bestätigen. Waren in der Region Luzern bis vor einigen Jahren drei Tageszeitungen vorhanden, die miteinander im Wettbewerb standen, so gibt es heute nur noch die "Neue Luzerner Zeitung" ("NLZ") mit ihren Kopfblättern in der ganzen Innerschweiz. Wenn die "NLZ" entscheidet, über etwas nicht zu berichten, dann kommt dieses Ereignis einfach nicht vor. Das ist der Effekt des Monopols, was nichts anderes als eine grosse Machtballung bedeutet.

Ich kenne nicht viele Politiker und Politikerinnen der Innerschweiz, die mit dieser Situation glücklich sind. Aber es geht ja nicht um das Glück von Politikerinnen. Es geht um die Qualität der demokratischen Auseinandersetzung, und dieser ist ein Monopol schlicht und einfach abträglich. Da kann der Zeitungsverlegerverband Schweizer Presse noch so oft das Gegenteil behaupten, wie er es in seinem Schreiben vom 10. September wieder getan hat. Sie alle haben ja diesen Brief erhalten. So einhellig, wie dieser Brief daherkommt, ist die Meinung im Verband Schweizer Presse nämlich überhaupt nicht. Ich weiss, dass die Wogen über die ablehnende Haltung des Vorstandes gegenüber diesem Verfassungsartikel sehr hoch gehen und dass in diesem Zusammenhang sogar von einer Spaltung des Verbandes die Rede war.

Im "Klartext" - das ist das schweizerische Medienmagazin, das sehr interessante Insiderberichte über die Situation in den Medien enthält - hat Heinz Roland in einem Artikel in der Nummer 1 dieses Jahres Folgendes geschrieben: "Die Diskussionen um die Zukunft der staatlichen Presseförderung in der Schweiz sorgen beim Verlegerverband Schweizer Presse für dicke Luft. Während der Verbandsvorstand gegen die direkte Presseförderung Stimmung macht, fühlen sich die kleinen Verlage von ihrem Branchenverband im Stich gelassen. Für den Verband Schweizer Presse ist in der helvetischen Medienwelt alles zum Besten bestellt: Wie 'noch nie in der Geschichte der Schweiz' habe die Bevölkerung heute die Möglichkeit, sich 'rasch und umfassend in vielfältigster Art und Weise zu informieren'." Das berichtete der Verlegerverband in seiner ablehnenden Stellungnahme zum vorgeschlagenen Medienartikel in der Bundesverfassung.

"Für eine direkte staatliche Presseförderung" - ich zitiere weiter aus dem erwähnten "Klartext"-Artikel -, "wie sie von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vorgeschlagen wird, gebe es entsprechend keinerlei Bedarf. Nach den Vorstellungen der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates soll der Bund künftig in einem neuen Verfassungsartikel 93a dazu verpflichtet werden, die 'Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien' durch direkte Massnahmen zu fördern. Von den Direktzahlungen sollen in erster Linie kleine Lokal- und Regionalblätter profitieren, die zwar eine bedeutende demokratiepolitische Funktion erfüllen, vor dem Hintergrund der zunehmenden Konzentration im Verlagswesen aber - wie kleinere Unternehmen in anderen Branchen auch - unter ökonomischem Druck stehen.

Ein 'unzutreffender Befund', meint hingegen der Verband Schweizer Presse. Der 'demokratierelevante, öffentliche Diskurs' funktioniere nach wie vor bestens, schreibt er in seiner Stellungnahme und lobt die 'hohe Titelvielfalt', welche die Schweiz im internationalen Vergleich immer noch aufweise. Die 'unbestreitbar bestehenden Konzentrationsprozesse bei den Printmedien' hätten im Übrigen dazu geführt, dass sich heute immer mehr Blätter als 'Forumszeitungen' verständen, womit - so glaubt zumindest der Verband Schweizer Presse - 'der Meinungspluralismus' auch in pressepolitisch monopolisierten Zonen gewährleistet bleibe. Der Verlegerverband wittert hinter der vorgeschlagenen Verfassungsbestimmung deshalb lediglich eine 'demokratiepolitisch motivierte regulatorische Einflussnahme', die darauf abziele, 'die Freiheit der Medien einzuschränken' - oder, wie es an anderer Stelle in der Stellungnahme von Schweizer Presse heisst: 'Freiheit mutiert zur Pflicht zu einer politischen Berichterstattung und zur Übernahme einer bestimmten demokratiepolitischen Funktion.'"

Diese schroffe Absage des Verbandes Schweizer Presse an die direkte Presseförderung ist allerdings nicht allen Mitgliedern geheuer. Schon letztes Jahr hat sich eine ganze Reihe kleiner und mittlerer Verlagshäuser, die übrigens immer noch die Mehrheit im Verband bilden, innerhalb ihres Branchenverbandes für einen Medienartikel samt direkter Presseförderung stark gemacht.

Seit letztem Freitag gibt es nun einen neuen Akt des Geschehens: Letzten Freitag fand die Mitgliederversammlung des Verbandes Schweizer Presse statt. Dazu gab es Medienberichterstattungen. Ich habe hier die Berichterstattung aus dem "Bund" mit der Schlagzeile "Uneinige Verleger". Ich habe mit grossem Erstaunen gelesen, dass an dieser Mitgliederversammlung - wie ich vorhin zitiert habe - ein Vorschlag, der eigentlich genau das will, was wir hier mit diesem Presseförderungsartikel in der Verfassung verlangen, mit 92 zu 49 Stimmen angenommen wurde. Der Vorschlag besteht einfach in der Idee, das Geld - 150 Millionen Franken, selbstverständlich staatliche Mittel - einer Stiftung anzuvertrauen. Mit dieser Stiftungsidee soll - ganz in unserem Sinn - eigentlich das verwirklicht werden, was wir mit unserem Artikel meinen. Wenn man eine solche Stiftung einrichtet, müssten wir darüber noch im Detail sprechen; auch eine solche Stiftung braucht eine Verfassungsgrundlage. Eine Verfassungsgrundlage würden wir mit dem, was wir heute vorlegen, in wunderbarer Weise liefern.

Eigentlich muss man sagen, dass die kleinen Verleger im Presseverband inzwischen erfolgreich geworden sind. Sie sind mit ihrer Sorge durchgekommen. Ihre Sorge ist die gleiche wie die unsere, nämlich dass sie dem ökonomischen Druck ausgesetzt sind und ihm nicht mehr standhalten können, wie das die grossen Medienhäuser können.

Eigentlich hätte uns der Verband Schweizer Presse - nachdem er uns am 10. September diesen Brief geschrieben hat, in dem alles in Minne scheint und dass der Verband geschlossen gegen unseren Vorschlag einsteht - richtigerweise sofort einen neuen Brief schreiben müssen. Ich gehe davon aus, dass Medienleute wissen, dass heute im Parlament diese Debatte stattfindet. Korrekterweise hätten sie uns eigentlich subito einen neuen Brief schreiben und uns darauf hinweisen müssen, dass die Würfel letzten Freitag anders, nämlich zu unseren Gunsten gefallen sind. Für Zeitungsverleger ist das, finde ich, eine ziemlich intransparente Haltung, sind doch die Medien so etwas wie die vierte Gewalt in der schweizerischen Demokratie. Es hätte ihnen gut angestanden, uns mit einem Brief über ihre neuen Beschlüsse zu informieren und uns zu sagen, dass die Haltung, wie sie dem Brief vom 10. September zu entnehmen ist, eigentlich bereits überholt ist.

Ganz stossend ist auch, dass der Bundesrat die einseitige Argumentation der lautstarken Mehrheit des Verbandes übernommen hat. Das spricht nicht gerade für sein demokratiepolitisches Fingerspitzengefühl - schade, dass mir der Bundesrat nicht zuhört - und ist doch eigentlich erstaunlich, denn der Bundesrat müsste in diesem Engagement für die Demokratie auf unserer Seite stehen und nicht auf der Seite der grossen Verlagshäuser. Er müsste auf der Seite derer stehen, die die Demokratie verteidigen, und nicht auf der Seite derer, die den Teufel des Staatsinterventionismus an die Wand malen. Ich denke, dass es viel einfacher und viel trivialer ist: Der Bundesrat fürchtet sich schlicht und einfach vor weiteren finanziellen Verpflichtungen. Aber Zeitungen sind nun einmal nicht ein Produkt wie jedes andere, das man dem freien Markt überlassen kann. Sie dürfen nicht den gleichen Marktgesetzen unterworfen werden wie irgendein Produkt, wie Turnschuhe oder Coca-Cola.

Herr Bundesrat, hat die Stellungnahme des Schweizerischen Presseverbandes von letzter Woche nichts an Ihrer Haltung gegenüber der Frage dieses Verfassungsartikels geändert? Es müsste logischerweise bei Ihnen zu einem Stimmungswandel gekommen sein, nachdem Sie ja eigentlich mit der Haltung des Presseverbandes argumentiert haben und dieser jetzt seine Haltung geändert hat.
Kurz zum zweiten Grund, warum wir Grünen selbstverständlich für diesen Verfassungsartikel sind: Er bildet die Verfassungsgrundlage dafür, dass auch in Zukunft Publikationen von gemeinnützigen, nicht gewinnorientierten Organisationen gefördert werden können, welche für den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Schweiz eine bedeutende Rolle spielen. Diese Publikationen, die heute von der Verbilligung der Zustelltarife der Post profitieren, sind durch die Änderungen der Verbilligungen der Posttaxen sehr gefährdet. Deshalb ist es dringend notwendig, eine Verfassungsgrundlage zu schaffen, welche die Basis für gesetzliche Bestimmungen bildet, damit diese Gefahr von diesen Organisationen abgewendet werden kann.

Aus diesen zwei Gründen bitte ich Sie im Namen der grünen Fraktion, dem Presseförderungsartikel, wie ihn die SPK beantragt, zuzustimmen.

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