Asylgesetz. Teilrevision

Asylgesetz. Teilrevision

Herr Lustenberger, der Bundesrat schlägt ja neu eine zwingende Formulierung vor: Wenn der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig oder zumutbar ist, führt das dazu, dass das Bundesamt die humanitäre Aufnahme verfügt. Sie verlangen jetzt mit Ihrem Minderheitsantrag eine Kann-Formulierung. Ich frage Sie: Was ist denn der Unterschied zur aktuellen Praxis, ausser dass es jemand anderes verfügt, einmal der Kanton und einmal das Bundesamt? Welcher materielle Unterschied besteht zwischen der Kann-Formulierung gemäss Ihrem Minderheitsantrag und dem Status quo?


Bei diesem Artikel geht es darum, dass die Kommissionsmehrheit neu einen Passus in das Asylgesetz einfügen will, der mit einer Kann-Formulierung die Entwicklungshilfe davon abhängig machen würde, ob sich die Staaten bei der Rückführung ihrer Bürgerinnen und Bürger kooperativ verhalten; je nachdem soll die Entwicklungshilfe ganz oder teilweise gestrichen werden. Das tönt ja im ersten Moment noch gut: Dann hätte man quasi ein Druckmittel in der Hand, um Staaten zur Kooperation zu zwingen. Beim genaueren Hinschauen hat es aber sehr viele Tücken, die dann schlussendlich dazu geführt haben, dass die grüne Fraktion ganz klar gegen diesen Antrag ist.

Ich möchte das ausführen: Erstens einmal sind die Grundsätze der Entwicklungszusammenarbeit hier am falschen Ort geregelt, dafür gibt es andere Gesetze. Das Zweite: Der Zweck der Entwicklungszusammenarbeit wird pervertiert, denn die Streichung von Entwicklungshilfegeldern trifft die Falschen, nämlich die Ärmsten und nicht die Regierungen. Fehlende Entwicklungszusammenarbeit kann ein Grund sein, dass es neue Flüchtlinge gibt. Wenn man den Ärmsten keine Hilfe mehr zukommen lässt, kann das heissen, dass neue Fluchtgründe entstehen, sich neue Leute auf den Weg in eine bessere Zukunft aufmachen müssen. Zudem: Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit wird ja mehrheitlich gerade nicht in den Ländern geleistet, aus denen viele Asylsuchende kommen. Ich werde das noch etwas genauer ausführen; zuerst aber noch ein Gedanke, der ganz wichtig ist: Die Geldüberweisungen von Immigranten und Immigrantinnen sind weltweit fast doppelt so hoch wie die ganzen Entwicklungshilfegelder. Das heisst natürlich, dass gerade die Staaten, die viele Leute im Ausland haben, wenig Interesse haben, ihre Leute zurückzunehmen, solange das, was diese an Devisen überweisen, bei weitem das übersteigt, was an Entwicklungshilfegeldern bezahlt wird.

Ich habe mich kundig gemacht, wie das mit den Staaten ist, aus denen Flüchtlinge kommen, und wie das mit der Entwicklungszusammenarbeit ist. Ich habe Folgendes herausgefunden: Drei Viertel der Flüchtlinge, die zu uns kommen, stammen aus fünfzehn Ländern. Mit vier dieser Länder bestehen Rückübernahmeabkommen. Mit sieben weiteren dieser Länder gibt es gar keine Entwicklungszusammenarbeit. Also kann man auch keinen Druck erzeugen, weil schlicht und einfach überhaupt noch keine Beziehungen existieren. Bei den übrigen vier Ländern - ich nenne sie: Afghanistan, Kongo, Äthiopien, Eritrea - gehen die Entwicklungshilfemittel nicht an die Zentralregierungen, die ja für die Rückübernahme ihrer Leute zuständig wären. Also trifft man da auch wieder die Falschen. Der Entzug von Entwicklungshilfegeldern würde dann als Druckmittel nichts nützen und die Armen strafen.

Übrigens, in Klammern noch gesagt: Diese fünfzehn Länder bieten alle "gute" Gründe, dass man aus ihnen fliehen muss.

Es gibt eine weitere Gruppe von Ländern, wo die Gelder der Entwicklungszusammenarbeit an die Regierungen gehen und wo theoretisch mit der Drohung des Entzugs der Entwicklungshilfegelder Druck aufgesetzt werden könnte. Dazu gehören Länder wie Russland. Aber genau da ist kein Interesse von Schweizer Seite vorhanden, weil es ein interessanter Handelspartner ist. Also wird man sich aus Opportunismus davor hüten, eben da mit diesem Druckmittel zu drohen. Oder es sind Staaten wie etwa Aserbaidschan, die der schweizerischen Stimmrechtsgruppe in den Bretton-Woods-Institutionen angehören. Deren Mitgliedschaft in diesen Institutionen sichert der Schweiz einen Sitz in den Direktorien des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Das heisst also, dass Drohgebärden der Schweiz in Sachen Entwicklungszusammenarbeit dies gefährden würden. Das ist eine Tatsache, der sich diese Staaten bestens bewusst sind. Da wird sich die Schweiz hüten, Druck auszuüben.

Schliesslich bleibt eine Gruppe von neunzehn Ländern, bei denen die Schweiz eine Kürzung oder Streichung der Entwicklungszusammenarbeit überhaupt wagen würde. Aus diesen Ländern stammen ganze drei Prozent aller Asylsuchenden. Es handelt sich neben Georgien um Bangladesch, Nepal, Benin, Niger und Kasachstan. Gemeinsam ist diesen Ländern, dass sie relativ schwach und arm sind und auch nicht wenig Fluchtgründe bieten. Gerade deswegen leistet die Schweiz dort Entwicklungshilfe und verhindert neue Fluchtgründe.

Sie sehen also: Summa summarum liegt diese Massnahme völlig daneben. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag der Mehrheit abzulehnen und den Antrag der Minderheit zu unterstützen.


Herr Bundesrat, Ihre Argumentation, wonach Sie breitere Sanktionen als nur Sanktionen im engeren Zusammenhang mit der Entwicklungshilfe ergreifen wollen, kann ich nachvollziehen. Es gibt ja auch einen Beschluss des Bundesrates vom 20. September 1999 unter dem Titel "Konditionalität in den Aussenbeziehungen", wo alle diese Punkte aufgeführt sind, inklusive Exportrisikogarantie, Rückruf des Botschafters, Absage von Handelsmissionen usw. Aber dann müssen Sie jetzt gegen diesen Absatz sein. Er ist einengend, er ist einschränkend. Dann müssen Sie jetzt sagen, Sie seien mit mir einverstanden, dass man das streicht. Dann müssen Sie selber im Ständerat eine bessere Formulierung bringen. Aber das, was hier steht, ist ganz klar eine massive Einengung gegenüber dem, was Sie wollen. Ich verstehe nicht, warum Sie sagen, Sie unterstützten diese Version.

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