Brief aus Bern

| erschienen im Willisauer Boten

Der letzte Tag im Parlament

Liebe Leserinnen und Leser

Da ich auf Anfang März aus dem Nationalrat zurücktrete, war der letzte Freitag mein letzter Tag im Parlament. Aus diesem Anlass kam eine grosse Delegation aus Luzern nach Bern, um die letzten Stunden meines Parlamentarierinnenlebens mit mir zu verbringen. In der Delegation hatte es auffallend viele Frauen und nicht zur aus dem Grünen Bündnis! Meine ehemaligen Kolleginnen Judith Stamm und Rosmarie Dormann waren ebenfalls nach Bern gekommen, um mich bei diesem sehr emotionalen Moment zu begleiten.

Der Zufall wollte es, dass an diesem Tag auch die Schlussabstimmungen zweier Gesetze stattfanden, für die ich mich in den letzten drei Jahren sehr stark engagiert hatte: das Ausländergesetz und das Asylgesetz. Mein letztes Votum im Nationalrat war die Erklärung der Grünen Fraktion, warum wir das verschärfte Asylgesetz nie und nimmer mittragen können. Einige Ausschnitte aus dieser Erklärung:

«Wir Grünen können nicht ein Gesetz unterstützen, das so tut, als ob wir vor einem Asylnotstand stünden. Wissen Sie, wie viele Asylsuchende dieses Jahr noch versucht haben, in der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen? Es sind noch etwa 9000 Personen. In den Jahren des Kosovo- und des Bosnienkrieges waren es über 40 000. Wir können keinem Gesetz zustimmen, das die Genfer Flüchtlingskonvention verletzt, und das tut es, weil Leute ohne gültige Papiere nicht mehr ins Asylverfahren aufgenommen werden können. Wir können keinem Gesetz zustimmen, das Menschen in ihrem Heimatland gefährdet, weil von ihren Angehörigen, die im Asylverfahren in der Schweiz sind, Daten weitergegeben werden, bevor das Verfahren abgeschlossen ist. Wir können keinem Gesetz zustimmen, das einen Sozialhilfestopp auch für verletzliche Personen, für Schwangere, für Familien mit Kindern und für Kranke festschreibt. Wir können keinem Gesetz zustimmen, das die Möglichkeit schafft, Menschen nur aufgrund fehlender Papiere und Nichtkooperierens beim Verfahren bis zu zwei Jahre in Haft zu nehmen, sie also bis zu zwei Jahre ihrer Freiheit zu berauben. Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit, was wir da tun!
Wir können mit immer schärferen Abwehrmassnahmen so tun, als ob wir die Probleme in den Griff bekämen. Solange die Schere zwischen Arm und Reich weltweit immer mehr aufgeht, werden Menschen versuchen, auf der Suche nach einem besseren Leben auch ins reiche Europa und in die reiche Schweiz zu kommen. Wir können die Schotten immer dichter machen – die Bilder von Südspanien holen uns ja fast täglich ein –, das können wir tun, aber wir lösen damit kein einziges Problem, sondern betreiben Augenwischerei. Manchmal denke ich – dies an die bürgerlichen Parteien und an die SVP gerichtet - es wäre ehrlicher, Sie würden sagen, wir schaffen doch das Asylgesetz ab. Denn es sind ja nie die richtigen Leute, die kommen. Wenn man Ihnen genau zuhört, stellt man fest, dass eigentlich alle, die kommen, immer die Falschen sind. Deshalb wäre es wirklich ehrlicher zu sagen: Wir schaffen doch dieses Gesetz ab.
Ich fordere alle humanitären Kräfte und Organisationen in der Schweiz auf, mit uns zusammen diesen Referendumskampf zu führen. Wir wissen schon, dass er schwierig sein wird und dass er schwierig zu gewinnen sein wird, aber wir können nicht durchlassen, dass dieses Gesetz angenommen wird, ohne dass wir uns dagegen gewehrt haben.»

Leider stimmte der Rat dem Asylgesetz mit 108 gegen 69 Stimmen zu, so dass wir einen Referendumskampf werden führen müssen. Dem neuen Ausländergesetz wurde in einem ähnlichen Verhältnis zugestimmt, so dass wir Grüne uns in bei einem Doppelreferendum engagieren werden.

Am Schluss der Sitzung wurde ich vom Nationalratspräsidenten Claude Janiak mit den folgenden Worten verabschiedet: «Wir verabschieden uns heute von Cécile Bühlmann. Dieser letzte Sessionstag ist zugleich ihr letzter Sitzungstag in unserem Parlament. Sie tritt auf den 5. März 2006 aus dem Nationalrat zurück, in welchem wir sie in den letzten vierzehn Jahren als sehr engagierte Parlamentarierin gekannt haben. Seit 1993 ist sie Präsidentin der grünen Fraktion. Sie hat diese Funktion somit zwölf Jahre lang ausgeübt, was in der neueren Zeit einen Rekord darstellt. Im Büro ist sie entschlossen für ihre Anliegen eingetreten, und in der Staatspolitischen Kommission, der sie seit Beginn ihrer Nationalratstätigkeit angehörte, hat sie ihr besonderes Augenmerk auf migrations- und asylpolitische Themen gerichtet und sich dabei stets für humane Regelungen auf diesem Gebiet eingesetzt. Transparenz im öffentlichen Leben war ihr besonders wichtig. Sie hat sich denn auch für die uneingeschränkte Offenlegung der Interessenbindungen der Ratsmitglieder eingesetzt. Ein Schwerpunkt ihres politischen Wirkens war der gerechte Platz der Frau im öffentlichen Leben und die Gerechtigkeit überhaupt. Ein Zeugnis davon waren ihre Worte zur Bundesratswahl vom 10. Dezember 2003. Dank ihres Engagements gegen die Diskriminierung jeglicher Art wurde sie Vizepräsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. Aus dem gleichen Grund ist sie auch mit dem Fischhoff-Preis ausgezeichnet worden. Parla perfettamente l'italiano il che la rende una figura molto ben vista della Televisione svizzera italiana e le ha permesso di far parte della delegazione parlamentare di amicizia Svizzera-Italia. Cécile Bühlmanns Interessen beschränken sich aber nicht auf die Politik. So findet sich beispielsweise auf Internet ihre Laudatio auf die Clownin Gardi Hutter – ein sehr schöner Text. Die grüne Fraktion verliert mit Cécile Bühlmann eine starke Persönlichkeit, deren Ausstrahlung der fünftgrössten Partei der Schweiz viel Profil verliehen hat. Seit Oktober 2005 ist sie Geschäftsleiterin des Christlichen Friedensdienstes in Bern. Erlauben Sie mir die persönliche Bemerkung, dass ich Frau Bühlmann in der Kommission, in der ich mit ihr zusammengearbeitet habe, in der Staatspolitischen Kommission, sehr geschätzt habe und dass ich ihren Sachverstand vermissen werde. Wir wünschen Cécile Bühlmann, die sich immer für die gerechte Sache eingesetzt hat, alles Gute für ihre Zukunft in Beruf und Leben. Wir gehen davon aus, dass wir von ihr noch hören werden.»

Mit diesem Brief verabschiede ich mich nun von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser des Willisauer Boten und wünsche Ihnen schöne Festtage!

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