Abstimmung Personenfreizügigkeit

Warum wir Grüne geschlossen für die Personenfreizügigkeit sind

Am 25. September stimmen wir darüber ab, ob die Personenfreizügigkeit, wie wir sie im Rahmen der ersten Bilateralen Verträge mit der 15er-EU ausgehandelt und beschlossen haben, auch auf für die neuen 10 EU-Staaten gelten soll. Glücklicherweise geht es bei dieser Abstimmung um einen Entscheid, der für uns Grüne wesentlich einfacher zu treffen ist als der zu Schengen/Dublin. Sowohl die Fraktion wie auch der Vorstand haben bereits einstimmig der Vorlage zugestimmt.

Ein kurzer Blick zurück

Im Mai 2000 nahmen über 67% der Schweizer Bürgerinnen und Bürger die Bilateralen Abkommen 1 an (Personenverkehr, Luft- und Landverkehr, technische Handelshemmnisse, Landwirtschaft, Forschung, öffentliches Beschaffungswesen). Diese Abkommen traten am 1. Juni 2002 in Kraft. Ein erstes Paket von flankierenden Massnahmen trat gleichzeitig in Kraft, um den Arbeitsmarkt vor dem Lohn- und Sozialdumping zu schützen, das der freie Personenverkehr mit sich bringen kann.

Im Mai 2004 traten die zehn neuen Länder Ungarn, Polen, Tschechei, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen, Zypern und Malta der EU bei. Die Bilateralen Abkommen I zwischen der Schweiz und der Europäischen Union gelten künftig für alle 25 Mitgliedstaaten der EU. Nur das Abkommen über die Personenfreizügigkeit konnte nicht automatisch ausgeweitet werden und war Gegenstand neuer Verhandlungen. Das Resultat liegt nun vor: Die EU gewährt der Schweiz eine siebenjährige Übergangsfrist für Angehörige der neuen Länder mit einem Regime, wie das für die alte EU bis im Mai dieses Jahres gegolten hat. Der Zugang zum schweizerischen Arbeitsmarkt wird für die neuen Länder schrittweise gelockert. Ab dem Jahr 2014 gilt dann die Freizügigkeit ohne jede Einschränkung für alle EU-Staaten.

Die Ausweitung des Abkommens über die Personenfreizügigkeit wie auch die Revision der flankierenden Massnahmen, die damit verbunden ist, wurden von den eidgenössischen Räten in der Dezembersession 2004 verabschiedet. Gegen die Ausweitung des freien Personenverkehrs ergriffen die Schweizer Demokraten das Referendum. Sie wurden dabei von der der SVP unterstützt. Bei der Abstimmung geht es sowohl um die Ausweitung des freien Personenverkehrs auf die neuen Mitgliedstaaten der EU als auch um die Verstärkung der flankierenden Massnahmen. Das Parlament beschloss nämlich, die beiden Punkte miteinander zu verbinden.

Die Gewerkschaften sagen ja

Auf Arbeitnehmerseite setzen sich die beiden namhaften Dachverbände SGB und Travail.Suisse vehement für die Annahme der Vorlage ein. Es konnten nämlich mit den so genannten flankierenden Massnahmen erhebliche Fortschritte zum Schutze der ArbeitnehmerInnen erzielt werden, wie sie sonst in der Schweiz nicht möglich gewesen wären.

Argumente für die Grünen

Es gibt nebst den gewerkschaftlichen Argumenten für uns Grüne gewichtige migrations- und europapolitische Gründe für ein Ja.

Migrationspolitische Argumente
Der freie Personenverkehr ist die Basis Grüner Migrationspolitik. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf berufliche und geographische Mobilität, auf Arbeitsmarktzugang, auf Bildung und auf Familiennachzug. Für dieses Anliegen haben sich die Grünen auch bei der Revision des Ausländer- und Asylgesetzes massgeblich eingesetzt. In unserem Positionspapier zur Migrationspolitik halten wir daher fest, dass die Freiheit, sich in einer beliebigen Region niederzulassen, ein Menschenrecht sein sollte. Auch Schweizer und Schweizerinnen profitieren von dieser Öffnung: das Abkommen zur Personenfreizügigkeit bietet ihnen dieselbe Bewegungs-, Bildungs- und Arbeitsfreiheit in allen EU Mitgliedstaaten. Nach Ansicht der Grünen sollte dieser freie Personenverkehr für alle Menschen gleichermassen gelten. Eine Diskriminierung zwischen den alten EU Mitgliedstaaten und den neuen Mitgliedstaaten kommt für Grüne nicht in Frage, genauso wie auch die Diskriminierung von Nicht-EU-Angehörigen auf dem Arbeitsmarkt beseitigt werden muss.

Mit Ausnahme des freien Personenverkehrs stehen die Dossiers der Bilateralen I für ein Europa, das sich einseitig an der Liberalisierung der Wirtschaft orientiert und in dem Menschen primär Absatzmärkte sind. Für uns Grünen müsste der Stellenwert klar umgekehrt sein. Die Bewegungsfreiheit der Menschen sollte vor derjenigen der Waren und Dienstleistungen stehen. Der freie Personenverkehr ist für die Grünen im Hinblick auf ein soziales, ökologisches und demokratisches Europa ein zentrales und prioritäres Anliegen.

Europapolitische Argumente
Grundsätzlich sind wir Grünen ja für den schnellstmöglichen EU-Beitritt, dies nicht etwa, weil wir kritiklos alles ideal und erstrebenswert finden, was in der EU läuft, sondern darum, weil sie die einzige ernstzunehmende Kraft ist, die Europa politisch organisiert und zusammenhält. Wir tun dies auch, weil die EU etwas erreicht hat, was es in Europa über so lange Zeit hinweg noch nie gegeben hat: Sie sichert den Frieden zwischen allen beteiligten Staaten. Das ist ja, gerade wenn wir an die Schrecken des letzten Jahrhunderts denken, nicht wenig für diesen, historisch gesehen, sehr kriegerischen Kontinent.

Eine weitere Überlegung, warum wir Grünen für den Beitritt sind: Die grossen Probleme unserer Zeit sind nur noch grenzüberschreitend und gemeinsam zu lösen. Umwelt und Verkehr sind zwei Stichwörter dazu. Die EU ist die einzige Organisation, die dazu in der Lage ist, solche grenzüberschreitenden Probleme zu lösen - und sie tut es gar nicht immer in unserem Sinn. Aber wenn wir dabei wären, könnten wir mit den Grünen Europas den Kampf für eine bessere Umweltpolitik führen. Wir wollen, dass die Schweiz gleichberechtigt und aktiv dazugehört und nicht einfach alles, was dort beschlossen wird, autonom nachvollziehen muss.

Aus diesen Überlegungen heraus ist es einleuchtend, dass der bilaterale Weg für uns Grüne nicht der ideale Weg ist, dass dieser Weg aber der zur Zeit einzig mehrheitsfähige ist. Und die Personenfreizügigkeit ist die beste Errungenschaft im Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU.  

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