Mit «Benzinfranken» gegen die «Apokalypse»
| Neue Luzerner Zeitung
Die Grüne Partei verlangt Anreize, um den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen
Aus Sorge ums Klima wollen die Grünen auch den Personenverkehr auf die Schiene bringen. Treibstoff soll teurer, die Bahn billiger werden.
Gerade angenehm sei es nicht, «sozusagen die Apostel der Apokalypse zu sein», erklärte die grüne Luzerner Nationalrätin Cécile Bühlmann gestern vor den Medien. Trotzdem wollen die Grünen Hitze, Ozonrekorde und Felsabbrüche nicht als Einzelereignisse wahrnehmen. Sie sehen darin vielmehr ein Zeichen des Klimawandels, der grössten und wahrscheinlichsten Bedrohung der Schweiz.
Grüne kritisieren verfehlte Politik
Seit ihrer Gründung vor 20 Jahren sucht die Grüne Partei der Schweiz nach Wegen, um die drohende Apokalypse abzuwenden. In den letzten Jahren mit wenig Erfolg, wie Fraktionschefin Cécile Bühlmann einräumte: «Es gab einen Rechtsrutsch, in der Umweltpolitik wurde der Rückwärtsgang eingelegt.» Wenn das Wetter heute verrückt spiele, so sei dies ein Resultat dieser verfehlten Politik, die eine zweite Gotthardröhre plane und die Mittel für den öffentlichen Verkehr (ÖV) kürze.
Die in der Südschweiz verordnete Senkung der Tempolimite auf Autobahnen bezeichnete Bühlmann als Hüftschuss. Hätte man grüne Postulate früher umgesetzt, wären solche Verordnungen nicht nötig, gibt sie sich überzeugt. Im Übrigen sei aber wünschenswert, dass andere Kantone folgten.
Die Grünen setzen die Akzente gerade umgekehrt als die bürgerliche Parlamentsmehrheit. Sie möchten nicht nur die Güter, sondern auch den Personenverkehr auf die Bahn verlagern. Dadurch könne nicht nur der CO2-Ausstoss als Hauptursache des Klimawandels reduziert werden, erklärte die Berner Nationalrätin und Biologin Franziska Teuscher. Es würden auch Städte und Agglomerationen entlastet und der Freizeitverkehr auf den ÖV umgelagert.
Bahnfahren verbilligen
Vom Bund verlangen die Grünen zusätzliche Anreize, um Bus, Bahn und Tram attraktiver zu machen – ähnlich wie die «Borromini»-Aktion aus dem Jahre 1987. Unter dem Eindruck des Waldsterbens wurde damals das Halbtaxabonnement von 360 auf 100 Franken pro Jahr verbilligt, was einen Nachfrageboom auslöste.
Jetzt möchten die Grünen das Generalabonnement erschwinglicher machen. Das zurzeit fast 3000 Franken teure Abo soll versuchsweise um 1000 Franken verbilligt werden. Das Potenzial ist laut Teuscher riesig, besitzen doch nur rund 250 000 Menschen ein GA – ein Bruchteil der vier Millionen. Werktätigen. Auch die Preise für die Strecken- und Zonenabonnemente müssmassiv herabgesetzt werden, damit Pendler das Auto künftig zu Hause lassen. Daneben fordern die Grünen auch zusätzliches Rollmaterial und Infrastrukturen für den ÖV, damit dieser sein Angebot ausbauen kann.
5 Milliarden aus der Zapfsäule
Finanziert werden soll all das mit einem Klimafranken pro Liter Benzin, der schrittweise eingeführt werden könnte. Damit, so haben die Grünen ausgerechnet, würden jährlich etwa 5 Milliarden Franken zur Verfügung stehen. Ein Teil des Geldes soll nach Teuscher an die Bevölkerung zurückerstattet werden, indem die ÖV-Abos verbilligt werden. Die andere Hälfte könne in die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs investiert werden. Als Alternative schlagen die Grünen vor, dass die CO2-Abgabe bereits auf Anfang 2004 eingeführt und ein Teil der Treibstoffzollgelder für Sofortmassnahmen eingesetzt wird. «Eigentlich», so Teuscher, «steht Geld zur Verfügung – wenn man das politisch will.» In der kommenden Herbstsession werden die Grünen ihre Vorschläge als parlamentarische Vorstösse einreichen.
Über deren Erfolgsaussichten machen sie sich jedoch keine Illiusionen, nachdem sie in der letzten Legislatur gerade im Umweltbereich herbe Rückschläge einstecken mussten. Gleiches gilt nach Bühlmann auch für grüne Postulate in der Sozial-, Energie- sowie der Ausländer- und Asylpolitik. «Das Klima ist heiss, nicht nur wegen des Wetters», bilanzierte die Waadtländer Nationalrätin Anne-Catherine Menetrey-Savary.
Kein Wahlkampf
Vielleicht werde nun der Vorwurf laut, die Grünen betrieben mit Hitze und Ozonbelastung Wahlkampf, räumte Bühlmann ein. Einer so kleinen Partei sei es jedoch nicht nögiich, mitten in den Ferien aktiv zu werden.
In den kommenden Wahlen rechnen die Grünen übrigens mit zwei bis vier Sitzgewinnen, wie Co-Präsidentin Ruth Genner erklärte. Ihr Wahlkampfbudget – inklusive der Kantone – beläuft sich auf 1 Million Franken.