Interview Pfarreiblatt

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«Wer sich einsetzt, setzt sich aus»

Am 25. Oktober 1970 wurde im Kanton Luzern das Frauenstimmrecht angenommen, am 7. März 1971 das nationale. Wo steht Gleichberechtigung heute in Gesellschaft und Kirchen? Ein Gespräch mit der Politikerin Cécile Bühlmann und den Kirchenfrauen Renata Asal-Steger und Lilian Bachmann.

Vor 50 Jahren wurde das Frauenstimmrecht eingeführt. Was hat sich seither für die Frauen geändert?
Cécile Bühlmann: Damals glaubten viele, mit der Einführung des Frauenstimmrechts sei Gleichberechtigung erreicht. Viele Errungenschaften, die wir heute haben, wurden jedoch erst danach von den Frauen erkämpft.
Lilian Bachmann: Mit dem Frauenstimmrecht wurde der Grundstein für zahlreiche neue Gesetze zu Frauenanliegen gelegt, die ohne die Frauenstimmen so wohl nicht eingeführt worden wären. Insbesondere das neue Ehe- und Scheidungsrecht, die Fristenregelung, die Mutterschaftsversicherung, das BVG-Splitting oder das Gleichstellungsgesetz. Wir haben inzwischen etwa die halbe Strecke erreicht und müssen weiterhin aktiv bleiben.

Wo hapert es noch?
Bühlmann: Auch heutige Frauen stecken oft beruflich stark zurück, wenn Kinder kommen. Die Namenswahl ist ein Indiz dafür, dass sich die Frauen stärker zurücknehmen: Die meisten Familien führen selbstverständlich den Namen des Mannes. Die Verantwortung, an alles zu denken, was die Familie betrifft, die sogenannte «mental load», liegt ebenfalls noch mehrheitlich bei den Frauen.

Wollen Frauen und Männer an diesen Rollen gar nichts ändern?
Bühlmann: Es liegt tatsächlich nicht nur an den Gesetzen. Es gibt Frauen, die engagieren sich lieber im geschützten Rahmen der Familie. Sich einer bisweilen harten Arbeitswelt oder der Politik zu stellen, braucht Mut. Wer sich einsetzt, setzt sich aus.
Renata Asal-Steger: Frauen haben oft das Ganze im Blick: Partnerschaft, Familie, Beruf. Sie wägen ab und fragen sich, ob sie all dies miteinander vereinbaren können. Meine Erfahrung ist, dass sich Männer solche Überlegungen grundsätzlich weniger machen und schneller zusagen: «Es wird schon irgendwie gehen.»

Fühlen Sie sich in Ihren Gremien als Frau ernst genommen?
Bachmann: Absolut. Wir leben ein Klima der Gleichberechtigung und diskutieren auf Augenhöhe. Unsere Meinungen bringen wir ein, hören einander zu und finden gemeinsam zu Lösungen.
Asal-Steger: Auch ich fühle mich in den Gremien der Landeskirche ernst genommen und kann meine Anliegen einbringen. Das kann ich auch in den Gremien auf Bistumsebene oder mit der Bischofskonferenz. Es kommt jedoch nicht selten vor, dass ich dort die einzige Frau bin. Was von meinen Anliegen dann umgesetzt wird, ist eine andere Frage.

Frau Bühlmann, Sie sind 2018 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Warum?
Bühlmann: Die römisch-katholische Amtskirche ist eine hierarchische, klerikale Männerkirche. Unter diesem Dach wollte ich nicht mehr länger stehen. Darum war der Austritt für mich ein Akt der Befreiung. Ich kann nicht verstehen, dass katholische Frauen immer noch auf Gleichberechtigung hoffen.

Haben Sie diese Hoffnung noch, Frau Asal-Steger?
Asal-Steger: Ja, ich habe sie nach wie vor. Unbestritten ist, dass die katholische Kirche weltweit in einer grossen Glaubwürdigkeitskrise ist. Man realisiert, dass strukturelle Fragen zu Machtmissbrauch geführt haben. Mich lässt hoffen, dass sich viele Katholik*innen eindringlich für Reformen in der Kirche stark machen Der Frauenbund war kürzlich bei der Bischofskonferenz eingeladen. Frauen vernetzen sich weltweit. Wenn jetzt nicht etwas passiert, ...
Bühlmann: Wie viele Enttäuschungen braucht es noch, bis ihr merkt, dass sich nichts ändern wird?
Asal-Steger: Die Kirche und ihre christliche Botschaft liegen mir am Herzen. Sie sind meine religiöse Beheimatung. Ich möchte diese Kirche weiterhin mitgestalten und mich beharrlich engagieren, dass die katholische Kirche glaubwürdige Schritte der Erneuerung geht. Wenn ich draussen bin, kann ich nicht mehr mitreden.
Bühlmann: Bischof Felix Gmür ist offen für Gleichberechtigung. Aber was macht er, wenn Rom nein sagt?
Asal-Steger: Papst Franziskus hat die Bischöfe mehrfach aufgerufen, mutig zu sein und Lösungen vor Ort zu suchen. Ich meine, reformwillige Bischöfe sollten sich mit Gleichgesinnten vernetzen. Es gibt beispielsweise in Deutschland Bischöfe, die sich für Reformen einsetzen.

Was können Sie selbst in dieser Sache bewirken?
Asal-Steger: Ich leide unter den Diskriminierungen innerhalb der katholischen Kirche. Deshalb engagiere ich mich in «meinen» Gremien für Reformen und habe mich als Präsidentin der RKZ zur Verfügung gestellt. Denn auf der Ebene der Bischofskonferenz wird es in den nächsten Jahren kaum ein weibliches Gesicht geben. Zudem vernetze ich mich, ich habe beispielsweise am Kirchenfrauenstreik teilgenommen. Aber ich weiss, dass ich das Kirchenrecht nicht ändern kann.

Seit wann gibt es in Luzern reformierte Pfarrerinnen?
Bachmann: Die reformierte Kirche im Kanton Luzern hat sich im Januar 1970 eine kirchenpolitische Verfassung gegeben und damit den Weg für das kirchliche Frauenstimm- und Wahlrecht frei gemacht. Frauen konnten damit seit Anbeginn der reformierten Landeskirche im Pfarramt wirken. Ordiniert werden konnten sie schon früher, jedoch nicht als Pfarrerinnen in der Kirchgemeinde amten. Daher waren sie häufig in Stellvertretungen oder im kirchlichen Unterricht tätig.

Was würde sich in der katholischen Kirche ändern, wenn Frauen zu Ämtern zugelassen wären?
Bühlmann: Sie wäre näher bei den Menschen. Frauen würden diese klerikale Priesterkaste, die sich selber zwischen den Laien und Gott verortet, abschaffen. Sie wären ganz normale Menschen, zwar mit besonderen Funktionen, aber nichts Unantastbares.

Ist das in der reformierten Kirche Realität?
Bachmann: Gelebte Gleichberechtigung, Gleichstellung und Chancengleichheit sind Grundwerte der Reformierten Kirche. Frauen sind zu Ämtern und zum Pfarrberuf zugelassen, obwohl die Verteilung noch nicht hälftig ist. Sie sind im Pfarramt sowie im Parlament je zu einem Drittel vertreten, in den Exekutivämtern etwas weniger. Da besteht noch Luft nach oben.
Bühlmann: Aber diesen besonderen Status der Kleriker nehme ich bei den Reformierten nicht wahr. Dieses andere Amtsverständnis wäre für mich ein Vorbild.


Prominente Luzernerinnen
Cécile Bühlmann war von 1991 bis 2006 Luzerner Nationalrätin (Grüne), von 2005 bis 2013 Geschäftsführerin des Christlichen Friedensdienstes. 2018 ist sie aus der katholischen Kirche ausgetreten. Renata Asal-Steger ist seit 2020 Synodalratspräsidentin der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern sowie Präsidentin der römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ). Lilian Bachmann ist seit März 2020 Synodalratspräsidentin ad interim der evangelisch-reformierten Landeskirche Luzern.

 

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