Warum es die Grünen weiterhin braucht

| Rede vor der Nominationsversammlung des GB Luzern für die National- und Ständeratswahlen 2003

Der Nationalrat steht am Ende der laufenden Legislatur so weit rechts wie schon lange nicht mehr. Gemeinsames Credo der bürgerlichen Seite: sparen, sparen und noch einmal sparen. Vordergründig wird behauptet, es gehe um die Sanierung der Bundesfinanzen. Aber das Ziel der bürgerlichen Sparpolitik ist klar: der Staat soll nicht nur schlank, sondern mager werden! Die Saat, welche die FDP mit dem Slogan „Mehr Freiheit - weniger Staat“ einst säte, geht auf und wird von der SVP, säkundiert von Teilen der CVP, bis zur bitteren Neige geerntet. In den letzten Monaten übertrumpften sich die bürgerlichen Politiker in ihrer Sparwut laufend. Das erste sog. Entlastungsprogramm des Bundesrates sah Ausgabenkürzungen von 1,6 Mia. vor. Dann erhöhte der Bundesrat sein Sparprogramm auf 3,4 Mia, diese Kürzungen betreffen vor allem das Personal, den Umweltbereich und den Asylbereich. Und als bisher letzten Coup beschloss der Nationalrat in der Frühlingssession: eine Sparübung von 7 Mia.!

Im gleichen Atemzug sollen Hauseigentümer und Mittelschichtsfamilien steuerlich entlastet werden, was Mindereinnahmen in Bund und Kantonen von 2 Mia Franken ausmacht.

Die bürgerliche Mehrheit hat im Nationalrat in der letzten Legislatur ihren Kurs knallhart auf Abbau und Entsolidarisierung ausgerichtet. Nicht die Lebensqualität und ein guter Service Public waren Richtschnur für die Politik der Mehrheit im Nationalrat, sondern der Staatsabbau und die Steuerprivilegien für gut Verdienende und Unternehmer. So gesehen treiben die Abzocker in den Wirtschaftsetagen nur das auf die Spitze, was ihnen ihre nahe stehenden bürgerlichen Vertreter im Parlament vormachen. Es ist die gleiche Mentalität: wer hat dem wird gegeben! Diese Medaille hat natürlich ihre unsoziale Kehrseite. So leben in der reichen Schweiz über eine halbe Million Menschen unterhalb des Existenzminimums! Und für die Anliegen dieser Leute hatte die bürgerliche Mehrheit kein Gehör. Im Gegenteil, die Bezugsdauer für Taggelder für Erwerbslose wird gekürzt und die Franchisen der Krankenkassen sollen erhöht werden. Wenn es nach BR Couchepin gehen soll, wird das Rentenalter auf 67/68 Jahre erhöht. Woher Leute ab 55, die auf der Stellensuche zum alten Eisen geworfen werden, dereinst ihre Stellen nehmen sollen, diese Antwort bleibt der BR schuldig! Das einzig vernünftige ist eine flexible Lösung mit einer Abfederung für tiefe Einkommen, Berechnungsgrundlage darf nie über 65 sein!

Lichtblicke sind einzig die Gelder, die für ausserhäusliche Kinderbetreuung gesprochen und die Mini-Mutterschaftsversichernung, die endlich kommen soll. Aber dagegen ist bereits das Referendum der SVP angekündigt.

Im Umweltbereich fuhr die bürgerliche Mehrheit einen konsequent umweltfeindlichen Kurs. So beschloss der Nationalrat einen Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative, der noch mehr Strassen bringt als die Initiative selber! Die Finanzierung soll über den Strassenbaufonds sichergestellt werden und in diesem Bereich ist Sparen dann für die Bürgerlichen tabu. Statt des Ausstiegs aus der gefährlichen Atomenergie beschloss das Parlament, den Kantonen bei der Lagerung von Atommüll die Mitsprache wegzunehmen! In der Gentechnologie und bei der Stammzellenforschung gelang es uns durch die Forderung nach strengen Auflagen wenigstens etwas Sand ins Getriebe der blinden Fortschrittsgläubigen zu streuen und das Moratorium gegen die Freisetzung von genmanipulierten Pflanzen werden wir halt mit der Unterstützung der Bevölkerung durchsetzten, wenn das Parlament diese verweigerte.

Die Swiss und die Expo haben uns währen der ganzen Legislatur beschäftigt und da waren wir die konsequente warnende linke Stimme, die gegen den Einsatz von Steuermitteln Sturm lief. In diesem Kampf hatten wir sogar unsere traditionelle Verbündete, die SP gegen uns.

Im Bereich der Migrationspolitik stellen wir eine eigentliche Repressions-Eskalation fest, das Resultat der Hetzkampagnen der SVP, die die ganze ausländische Bevölkerung permanent unter Missbrauchs- und Sozialschmarotzer-Verdacht stellt. Statt diesem diffamierenden Zerrbild ein realistisches Bild der Eingewanderten als wichtige und nötige Teile der Bevölkerung der Schweiz entgegenzustellen, kuscht die Mitte oder läuft der SVP hinten nach. Wir Grüne haben uns konsequent und unbeirrt für die Rechte der Eingewanderten, ganz speziell, auch für die der Sans Papiers eingesetzt. Das tun wir, weil wir der Überzeugung sind, dass Menschenrechte unteilbar sind und dass sich die Qualität einer Demokratie daran messen lassen muss, wie sie mit ihren Minderheiten und mit Menschen am Rand der Gesellschaft umgeht. Daraus leitet sich unser Einsatz gegen Ausgrenzung, Rechtextremismus und Rassismus ab.

Genau so wichtig für die Demokratie ist der Kampf gegen Machtmissbrauch und Filz. Deshalb unser permanentes Engagement gegen die Korruption und für Transparenz.

Aussenpolitisch gibt es einen Erfolg, den UNO-Beitritt zu verzeichnen, den wir engagiert mit erstritten haben. Leider war die vergangen Legislatur, was die Annäherung an die EU anbelangt, verlorene Zeit. Wir Grüne haben uns stark gegen die Exzesse der Globalisierung gewehrt und mit der Präsenz an den Sozialforen und auf Wahlbeobachtungs- und Friedensmissionen unsere Solidarität mit den Ärmsten dieser Welt persönlich bezeugt. Überhaupt hat uns die Frage des Friedens und der weltweiten Gerechtigkeit, natürlich noch akzentuiert durch den Irak-Krieg in den vergangen Jahre sehr beschäftigt. All unsere Vorstösse zur WTO, zu Südafrika, Kosova, China, Sri Lanka, zum Nordirak und vielen weiteren Ländern mehr sind Ausdruck dieses Engagements.

Wir Grüne versuchten in den vergangenen vier Jahren der Entsolidarisierungspolitik eine Alternative gegenüber zu stellen: Gute Lebensqualität und eine nachhaltige Entwicklung erfordern einen starken Staat und genügend Finanzen für den Service Public. In einigen wenigen Bereichen gelang es uns mit Hilfe der SP-Fraktion und mit den wenig übrig gebliebenen sozial und ökologisch denkenden Bürgerlichen dieser Politik zum Durchbruch zu verhelfen, aber meistens stiessen wir auf Granit. Eine Verstärkung der rot-grünen Seite im neuen Parlament und keine weitere Schwächung dieser sozialen und ökologischen Mitte, sofern es denn diese überhaupt noch gibt, sind im Herbst dringend notwendig, um den Crash-Kurs dieses Parlamentes zu stoppen und Politik wieder zu dem zu machen, was sie sein sollte, nämlich eine vorausschauende und nachhaltige Institution zum Wohle aller in diesem Lande lebender Personen. Viele Leute haben genug vom Filz in Wirtschaft und Politik und von der Abzockermentalität der bürgerlichen Eliten. Das «Grounding» der Bürgerlichen ist eine Chance für eine konsequente und konstruktive grüne Oppositionspolitik. Grüne Politik verbindet Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und die Gleichstellung von Frau und Mann. Grüne Politik ist mehr Lebensqualität!

Schön, dass Ihr mit eurer Kandidatur und eurem Engagement für das GB für diese Werte einsteht. Ich freue mich, mit euch zusammen diesen Wahlkampf zu bestreiten und hoffe, dass wir gemeinsam es im Herbst schaffen werden, dass wir in Bern wieder vertreten sind.

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