Kolumne 60plus: Mein Verdrängungsreflex

| Kolumne erschienen auf der Website von Luzern60plus

Eine gern verdrängte Realität kommt ins Kino

Die Babyboomer kommen in die Jahre - und auf die Leinwand. Es fällt auf, dass sich in letzter Zeit immer mehr Filme mit den Problemen rund ums Älter- und ums Krankwerden beschäftigen. Neuestes Beispiel ist der Oscar gekrönte Film «Still Alice – Mein Leben ohne gestern», in dem die Geschichte der von der Alzheimer Krankheit heimgesuchten Linguistin Alice Howland erzähl wird. Die Kritiker sagen, dass das innige Filmdrama sein schwieriges Thema mit Bravour und Fingerspitzengefühl meistere und sie loben das berührende, subtile Spiel von Julianne Moore, das diesen Film zum Ereignis mache. Auch in meinem Bekanntenkreis wird der Film sehr gelobt und mir wurde der Besuch des Filmes sehr empfohlen.

Als ich dann über die verregneten Ostertage ins Kino ging, entschied ich mich jedoch für den Film über den Urner Teufelsmaler Heinrich Danioth und für die Iraqi-Odyssey von Samir und nicht für «Still Alice». Irgendwie sträubte ich mich dagegen, schon wieder auf der Leinwand mit anschauen zu müssen, wie ein Mensch sein Gedächtnis verliert und seine Persönlichkeit erlischt. Mir sind der Film «Amour», indem die wunderschöne Emmanuelle Riva an Demenzerkrankt und von Jean-Louis Trintignant buchstäblich zu Tode gepflegt wird und die Alzheimer-Doku «Vergiss mein nicht», in der gezeigt wird, wie sich die einst stolze, revolutionäre Gretel S. langsam aus der Welt zurückzieht, noch in lebhafter Erinnerung.

Auffallend ist übrigens, dass in allen drei Filmen die Frauen erkranken und in zwei davon von ihren Männern gepflegt werden. In der Realität ist das Verhältnis gerade umgekehrt. Da die Frauen in der Regel jünger sind und länger leben als ihre Männer, sind es die Frauen, welche die Männer umsorgen. Ich denke nicht, dass das ein Zufall ist, denn es ist weit weniger spektakulär, auf der Leinwand die Normalität abzubilden als die Ausnahme.

Ich habe mir überlegt, woher mein Widerwille kommt, mich erneut mit einem Film auseinanderzusetzen, der etwas zeigt, was mit einiger Wahrscheinlichkeit auch auf mich und meine nächste Umgebung zukommen könnte. Es ist der gleiche Verdrängungsreflex, der bei mir spielte, als ich angefragt wurde, an einem Publik Talk von Curaviva als Podiumsteilnehmerin zur Frage, wie ich im Alter gerne gepflegt werden möchte, teilzunehmen. Ich sagte spontan ab mit der Begründung, das Thema sei noch viel zu weit von mir weg und ich möchte mich noch nicht damit beschäftigen. Erst als man mir sagte, dass das Zielpublikum 50- bis 70-Jährige seien, war meine Begründung nicht mehr stichhaltig, bin ich selber doch schon 65 Jahre alt…

Ich werde mich also der Frage öffentlich stellen müssen, wie ich möchte, dass mit mir im hohen Alter umgegangen wird. Ich habe mir selbstverständlich darüber Gedanken gemacht und habe durchaus Vorstellungen davon, vor allem was ich dereinst sicher nicht möchte. Zudem schreibe ich seit meiner Pensionierung Kolumnen für die Generation 60plus, die sich ja alle auch mit Fragen rund ums Älterwerden beschäftigen. Verdrängen mag ein spontaner Reflex sein, solange man noch autonom und gesund ist. Es gibt bestimmt Schöneres, als sich das Schwinden der eigenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten auszumalen! Sich jedoch ab und zu damit auseinandersetzen heisst ja auch nicht, dass dies zur Dauersorge werden soll. Denn dann würde ich ja verpassen, mich an jedem Tag übers Leben zu freuen!

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