Kolumne 60plus: Agrarinitiativen

| Kolumne erschienen auf der Website von Luzern60plus

Die Agrarpolitik ist ein Dauerbrenner, auch unter Grünen

Zurzeit tobt wieder einmal ein heftiger Kampf um die richtige Agrarpolitik. Wir stimmen am 13. Juni über die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiativen ab. Sie verlangen, dass die Schweizer Landwirtschaft zum Schutz der Böden und des Wassers auf Pestizide und Futtermittelimporte verzichten soll. Das gibt zu reden, und wie! Wenn ich mit dem Velo übers Land fahre, prangen an vielen Scheunen und Traktoren Warnhinweise vor den „extremen Agrar-Initiativen“. Mit meinem Leserbrief in der Luzerner Zeitung, in dem ich den Zusammenhang zwischen der Menge der Futtermittelimporte und der Menge der Nutztiere ausgeleuchtet habe, habe ich den Zorn von Bauern auf mich gezogen. Und seit dem der Dachverband der Schweizer Bio-Produzenten Biosuisse die Nein-Parole zur Trinkwasser-Initiative herausgegeben hat, ist in der Öko-Szene Feuer im Dach.

Das kommt mir irgendwie bekannt vor. In der 90er Jahren sass ich zusammen mit Ruedi Baumann im Nationalrat, 1997 wurde er Parteipräsident und ich war seit längerem schon Fraktionspräsidentin. Er war ein Pionier der ökologischen Landwirtschaft und er bewirtschaftete seinen Hof in Suberg nach den Prinzipien des Biolandbaus. Er war Präsident der von seinem berühmten Vorgänger René Hochuli gegründeten Kleinbauern-Vereinigung und prägte die Landwirtschaftspolitik der 90er Jahr wie kein zweiter. Die Kleinbauern-Initiative, über die im Jahr 1998 abgestimmt worden war, verlangte etwas Ähnliches wie die Trinkwasserinitiative, nämlich dass nur noch ökologisch bewirtschaftete Bauernhöfe Direktzahlungen erhalten sollen. Mir imponierte die konsequente und innovative Haltung von Ruedi Baumann von Anfang an. Mit seinen radikalen Forderungen nach einer nachhaltigen Landwirtschaft wurde er zum absoluten Feindbild der Bauernlobby innerhalb und ausserhalb des Parlaments. Er erhielt Drohungen und Anfeindungen zu Hauf, seine Gegner schreckten auch nicht vor Attacken gegen seine Tiere zurück, die er konsequent Tag und Nacht auf der Weide liess. Ruedi Baumanns konservative Verwandte kündigten ihm die Pachtverträge, sein eigenes Land reichte so nicht mehr aus, um die Existenz zu sichern. Deshalb suchte er einen neuen grösseren Betrieb und wurde im Südwesten Frankreichs fündig. Anfänglich pendelte er zwischen der Schweiz und Frankreich hin und her, nach seinem Ausscheiden aus dem Nationalrat zog er ganz nach Frankreich und liess sich dort nach fünf Jahren zusammen mit seiner Frau Stephanie einbürgern. Ruedi und Stephanie Baumann hatten in den 90er Jahren auch für Aufsehen gesorgt, weil sie das erste Ehepaar waren, das zusammen im Nationalrat sass, er für die Grünen, sie für die SP.

Inzwischen ist ihr Sohn Kilian Baumann in den Nationalrat gewählt worden, er folgt ganz den Spuren seines Vaters: er ist bei den Grünen, Biobauer und im Vorstand der Kleinbauern-Vereinigung. Er setzt sich für die gleichen Anliegen wie sein Vater ein, selbstverständlich engagiert er sich auch für die beiden Agrar-Initiativen, die in Richtung einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft zielen. Damit ist auch er zum Feindbild des Bauerverbandes und das Agrarlobby samt ihrer Presse geworden, wie das früher seinem Vater passiert war.

Obwohl die Grünen die Unterstützung der beiden Initiativen mit überwältigender Mehrheit beschlossen haben, gibt es eine prominente Grüne, die öffentlich dagegen auftritt: Maya Graf, Ständerätin und Biobäuerin aus dem Baselbiet. Auch das gibt zu reden im grünen Milieu und auch das kommt mir bekannt vor: schon damals führten wir in der Grünen Fraktion heftige Debatten über eine zukunftsfähige Landwirtschaftspolitik. Dabei waren sich die beiden Bauernvertreter Ruedi Baumann und Maya Graf oft uneinig, weniger über das Ziel als über die Radikalität und das Tempo des nötigen Wandels dorthin. Ich erinnere mich, dass mich Ruedi Baumanns visionäre Vorstellungen bedeutend mehr überzeugten als die pragmatisch vorsichtige Haltung von Maya Graf. Ironie der Geschichte: Jetzt ist es Ruedi Baumanns Sohn Kilian, der mit Maya Graf im Clinch ist. Meine Sympathien in dieser Sache sind wie damals auf der Seite der Baumanns.

PS: Was hingegen Maya Grafs Engagement für die Sache der Frauen als Copräsidentin des Schweizerischen Dachverbandes alliance F angeht, bin ich voll auf ihrer Seite!

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